Europäischer Zulieferer zieht Boeing vor Gericht (2024)

Offene Rechnungen

Älter als 7 Tage


Boeing 767 FAL, ©Boeing

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SEATTLE - Die 737-Krise belastet das Verhältnis von Boeing und Zulieferern. Auch in Lieferketten anderer Programme staut sich laut einem Bericht von "Leeham News" Frust über offene Rechnungen und zunehmende Mängelrügen aus Seattle an. Ein europäischer 767-Zulieferer zieht Boeing vor Gericht.

Die Kosten aus der 737-MAX-Krise steigen auf mindestens 18 Milliarden US-Dollar - und haben Boeing gerade den ersten Jahresverlust seit 1997 eingebrockt. Wälzt der Konzern einen Teil der finanziellen Belastungen auf seine Lieferkette ab?

Wegen des aktuellen Produktionsstopps hat Boeing 737-MAX-Partner vertröstet - sie erhalten erst dann wieder Aufträge und Geld, wenn der Krisenjet die internationale Wiederzulassung erreicht. Rumpfbauer Spirit Aerosystems hat wegen der 737-Krise bereits 2.800 Mitarbeitern die Kündigung ausgesprochen.

Doch nicht nur in der Lieferkette der 737 MAX brodelt es. "Leeham News" berichtet über Konzernpraktiken, die mehrere Zulieferer auch in anderen Modellserien feststellen. Demnach krittelt Boeing vermehrt an der Qualität von Flugzeugkomponenten herum und hält fällige Zahlungen so zurück.

Hinter vorgehaltener Hand fühlen sich einige Programmpartner nach diesem Muster von Boeing als "Bank" benutzt, schreibt der gut vernetze Dienst.

Leonardo und Boeing streiten um Millionen

Auch der europäische Luftfahrtkonzern Leonardo hat bei Boeing Forderungen offen - über 25 Millionen US-Dollar für 767-Landeklappen und weitere Teile. Der Flugzeugbauer stellte Leonardo im August 2019 seinerseits exakt 26.181.152,00 US-Dollar für die "Mängelbeseitigung" an Landeklappen in Rechnung.

Keine Hinhaltetaktik - am 19. Dezember 2019 flatterte Leonardo eine zweite Boeing-Rechnung ins Haus, der schwierige Kunde forderte darin weitere 33 Millionen US-Dollar für angebliche Vertragsverletzungen im Zulieferverhältnis. Vier Tage später reichte Leonardo bei einem Bezirksgericht in Seattle Klage gegen Boeing ein.

Leonardo ist bei der 767 nicht irgendein Zulieferer: die Italiener gehören seit den Anfängen des Programms 1978 zu den engsten Industriepartnern.

Boeing habe sich "im Juni 2019 zum ersten Mal" über die Qualität der Bauteile beschwert, heißt es in der Klageschrift.

Laut Leonardo setzte Boeing zur Kontrolle der Landeklappen Boroskoptechnik ein, wie sie üblicherweise sonst nur bei der Inspektion von Triebwerken verwendet werde. Nur so habe Boeing "kleinste Kratzer" und "minimalste Einschlüsse" von Metallstaub und -abrieb überhaupt feststellen können.

Derzeit sieht wenig nach einer gütlichen Einigung aus. Gegen die Klage von Leonardo hat Boeing vor einigen Tagen Widerklage erhoben.

© aero.de | Abb.: Boeing | 19.02.2020 16:10

Kommentare (17) Zur Startseite

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Beitrag vom 20.02.2020 - 14:08 Uhr

Van der Fart

Da ist Boeing ja richtig fies gegen Leonardo. 2018 hat Boeing Leonardo schon den Auftrag für den neuen Militärtrainer (TX-Programm) weggeschnappt. Dazu Zitat aus der Flugrevue:
"Es handelt sich laut Pentagon um Festpreisverträge, so dass das Risiko bei Boeing liegt. Einige Beobachter spekulieren, dass das Unternehmen wie beim KC-46-Tanker ein extrem niedriges Angebot abgegeben hat und damit anfängliche Verluste riskiert."

Beitrag vom 20.02.2020 - 10:46 Uhr

Nicci72

ich vermute das Boeing mit einigen Entscheidungen extrem auf die Schnauze fallen wird.
So denke ich das auch in diesem Fall.
Gehe vor Gericht mit den Leuten von denen du abhängig bist und du wirst ernten was du sähst.

Boeing wird merken das der Cash langsam knapp wird, es ist halt eigentlich witzlos und zeigt wie broken deren Culture und das Management ist. Man nimmt lieber massiv Kredit auf um die Dividende zu zahlen anstatt die Firma komplett in den Krisenmodus zu schalten und den Eigentümern zu sagen das man ein riesen Problem hat.
Denn die Cashcow schlechthin fällt natürlich aus.

Boeing scheint immer noch davon auszugehen das ihr Legal und die Verzögerungstaktik sie aus dem gröbsten raushalten.
Dabei wird die Max Krise wohl eher in einen Hohen zweistelligen Mrd. Bereich gehen, wenn ich mir das so überlege:
Deepwater Horizon hat 19 Mrd. Entschädigung gekostet, gesamt 62 Mrd. je nachdem welche Zahlen man anschaut.
VW liegt wohl bei Dieselgate über 30 Mrd. und da ist Restructure wohl noch nicht drin und auch nicht alle Entschädigungen und Strafen, da sind ja noch Verfahren anhängig.

Wenn ich mir die beiden Dinge anschaue, dann sehe ich den Schaden für Boeing größer:
346 Menschenleben
Regulator und Kunden belogen
Passagiere belogen
alles mit Vorsatz
Wenn ich da grob über den Daumen peile, Entschädigung (muss ja von der Logik her über den 20 Mrd von BP und auhc über der Strafe von VW liegen.
Dazu der Produktionsausfall.
Und die Kosten für Restructure, man kannn ja nicht einfach so weiter machen.

BP hat ein gewaltiges Problem, und ich frage mich schon warum man so weiter macht als wäre nichts gewesen.
Dazu die riesen Gefahr, das die PAX in die Max einfach nicht mehr einsteigen. Sobald man als Airline sieht, das Max Flüge weniger gebucht werden, ist das Ding erledigt.

Boeing hätte in meinen AUgen shcon längst in den absoluten Krisenmodus schalten sollen, das haben sie aber nahc aussen zuminderst noch nicht getan.


Grundsätzlich stimme ich mit Ihnen hier völlig überein. Allerdings ist die Sichtweise, dass man vom Zulieferer abhängig ist, gerade nicht die, die man ganz offensichtlich im Top-Management von Boeing hat (die Beschäftigung mit der Prägung und dem Denkstil des neuen CEO ist da schon recht erhellend). Es ist wie gesagt evident, dass hier Kosten an den Zulieferer ausgelagert und damit Verluste an diesen verschoben werden sollen. Im Übrigen geht man offenbar wohl auch davon aus, dass die US-amerikanische Politik es sich überhaupt nicht leisten kann, Boeing nicht zu stützen, die gegenwärtige US-Administration mit ihrer Politik des "America First" am allerwenigsten. Wenn man versucht zu verstehen, wie Politik in den USA funktioniert, dann ist das aber vielleicht gar nicht mal so falsch gedacht. Von dem nach den MAX-Crashs mit viel öffentlichem Getöse eingeleiteten Ermittlungsverfahren des US-Justizministeriums habe ich seither nie wieder etwas gehört. Soweit ich es nachverfolgen konnte hat bisher auch noch kein US-Gericht irgendetwas Konkretes verhandelt. Faktisch hat Boeing bisher wohl noch überhaupt keine Schadensersatzleistungen in relevanter vergleichbarer Größenordnung gezahlt - wie gesagt inzwischen fast anderthalb Jahre nach dem ersten Crash und fast ein Jahr nach dem Grounding. Die von Ihnen zu Recht angesprochenen Vergleichs-"Parameter" britsche BP und deutsche VW (man könnte noch die japanische Toyota als drittes einschlägiges Beispiel hinzufügen) waren zum selben Zeitpunkt nach dem Beginn der jeweiligen Affäre bereits dabei, Schadensersatz-Transaktionen in Milliardenhöhe zu tätigen. So wie Politik in den USA funktioniert spekuliert man bei Boeing womöglich zu Recht darauf, dass ein ernsthaftes Antasten der Ikone Boeing in den USA nicht passieren wird und ihnen außerhalb der USA sowieso niemand etwas kann. Deshalb gilt auch hier wieder die Maxime, dass der Shareholder Value und damit die Dividende das wichtigste ist. Wie erwähnt: Boeings neuer CEO ist ein bei Jack Welch geschulter Blackstone-Experte für Kostenoptimierung zwecks Divendenerhöhung. Dass jemand mit seinem Profil in dieser Situation den frei gewordenen "Top Job" bekommt und nicht etwa ein Manager aus dem Bereich der Produktion ist ja auch schon vielsagend (was übrigens auch in vielen US-Medien so gesehen wird).

Beitrag vom 20.02.2020 - 10:04 Uhr

Nicci72

Wenn man sich den zeitlichen Ablauf anschaut, erkennt man dass es zu Zeiten von Muilenburg passiert ist. Wenn wir jetzt auf die Art und Weise wie er mit den Behörden umgegangen ist, zieht sich hier auch ein rot Faden durch sein Handeln. Ich hoffe der neue CEO löst dieses Problem auf einer charmanten und einvernehmliche Weise.

Naja, der neue CEO von Boeing ist ein bei Jack Welch (dem "Godfather of Shareholder Value") geschulter Blackstone-Experte für Rechnungswesen, d.h. Kostenoptimierung. 2010 hat er zusammen mit einem Co-Autor ein Buch mit dem Titel: "How Companies Win" veröffentlicht (Rick Kash/ David Calhoun: How Companies Win. New York: Harper Collins 2010) - gerade bei diesem Thema eine sehr interessante Lektüre. Der neue CEO von Boeing dürfte so ziemlich der letzte sein, der etwas auf die charmante und einvernehmliche österreichische Art erledigt.

Ich denke es ist ganz klar, dass Boeing hier versucht, Kosten an Zulieferer auszulagern und Verluste damit an diese zu verschieben. Das ist eine alte Jack-Welch-Taktik, die dieser bei GE perfektioniert hat. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Zulieferer immer der Schwächere ist. Calhoun nennt das in seinem Buch "demand-driven business". Wenn man wie Leonardo Landeklappen für die Boeing 767 herstellt, dann gibt es halt nicht so viele Kunden, die einem dieses Produkt abkaufen. Diese "Denke" geht eben nicht von Partnerschaften, von einem gemeinsamen Teamwork mit einem gemeinsamen Ziel aus, sondern von Hierarchien und Abhängigkeiten und dem "Survival of the Strongest". Die Frage, was denn ein moderner Technologiekonzern ohne seine spezialisierten Zulieferer macht, ist bis zu Jack Welch nie vorgedrungen. Genau das ist heute übrigens ein Riesenproblem von GE, wo Welsh zwanzig Jahre lang CEO war. Ich habe sie auch nicht in dem Buch von Calhoun gefunden.

Dieser Beitrag wurde am 20.02.2020 10:05 Uhr bearbeitet.

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